von Benjamin Clément

Die Reise begann mit einem nebligen Abschied in Zürich – passend zu einem winterlichen Montagmorgen. Doch kaum waren wir in der Luft, durchbrach das Flugzeug die dünne graue Decke und bescherte uns eine traumhafte Sicht auf die verschneiten Alpen. Ein vielversprechender Auftakt!

Mit dabei: Bergführer Stephan, braungebrannt von der laufenden Skitourensaison, der erfahrene Alpinist Peter, die talentierte Sportkletterin Claudine und ich. Eine kleine, aber feine Truppe, hoch motiviert für eine Woche Klettern in Manikia, das laut YOYO als «aufstrebendes Ziel für Kletterer weltweit» und «der nächste Top-Spot in Griechenland» gehandelt wird. Nach der Landung in Athen ging es weiter im Mietwagen – rund zwei Stunden durch die griechische Nacht bis an unser Ziel auf der Insel Euböa: Kymi Beach. Das fast menschenleere Hotel bot allen Komfort, und das Frühstück schmeckte besonders gut mit Blick auf blühende Bougainvilleas und das Glitzern des Meeres in der Morgensonne.

Unsere Klettertage starteten jeweils mit einer kurzen Fahrt durch grüne Hügel, gar mit Blick auf vereinzelte Schneefelder in der «Höhe» (zu Beginn heiss diskutiert – im Laufe der Woche bewiesen sie ihr Schmelzpotenzial). Am ersten Tag tasteten wir uns im Sektor «All the Universe» an den scharfen Kalkstein heran – angenehme Temperaturen, kaum andere Kletterer. Ein perfekter Einstieg. Am zweiten Tag landeten wir im Felskessel «Mpougazi», wo Stephan bereits mit funkelnden Augen Werbung für eine Mehrseillängentour machte. Wir erspähten die von ihm ins Auge gefasst Route aus der Distanz – eine Herausforderung, die uns später noch beschäftigen sollte.

Abends erkundeten wir die Tavernen rund um die Klettergebiete und fanden bald unser Lieblingsrestaurant – nicht nur wegen des hervorragenden Essens, sondern auch wegen des stets eingefeuerten Holzofens, neben dem besonders Peter aufblühte. Griechischer Salat, cremiges Tsatsiki, gefüllte Auberginen, saftige Spiesse und süffige Weine. Sowohl die Gemüsefans unter den Kletterern als auch die Freunde der herzhaften Küche kamen in dieser Woche voll auf ihre Kosten.

Ein klares Highlight war für mich unsere Mehrseillängenroute «Efcharístisi» am Freitag. Sechs Seillängen bis 6a+, Einstieg neben einem imposanten «Drachenauge», lachende Ziegen in der Ferne, wackelige Knie – und jede Menge Spass. Ein gelungener Jahresauftakt für die Wiederbelebung meiner Mehrseillängen-Ambitionen, die jüngst etwas kurz gekommen waren! Im Anschluss kletterten wir noch in der nahe gelegenen und sehr beeindruckenden Höhle «Dragonera», wo Stephan uns kopfüber an der Decke eine Kostprobe seiner Kletterkünste zeigte – und ich, noch am Seil, beinahe auf eine Schlange stand!

Erst am letzten Klettertag führte uns der Weg ins namensgebende Bergdorf Manikia – was viel über die Vielfalt dieser neuen Kletterdestination in Griechenland aussagt. Problemlos hätten wir eine weitere Woche verbringen können, ohne auch nur in die Nähe von Manikia zu kommen. Unser Ziel: der Sektor «Canyon». Nach 20 Minuten Autofahrt ab Manikia (die sich anfühlte wie eine Offroad-Rallye) und einem 30-minütigen Zustieg wurden wir mit einer Landschaft belohnt, die selbst Zeus beeindruckt hätte. Wir fanden uns mutterseelenallein in einer malerischen Schlucht wieder, in der Vögel ihre Kreise zogen, begleitet vom Rauschen eines wilden Flusses und mit Aussicht auf den gegenüber liegende imposanten Sektor «North Face» mit seinen markanten Höhlenformationen. Perfekte Bedingungen für einen würdigen Abschluss einer gelungenen Kletterwoche. Mittags lud Stephan uns erneut auf einen Kaffee aus seinem mobilen Kocher ein – ein kleines, aber entscheidendes Detail, das sich in dieser Woche mehrfach positiv auf Laune und Leistung ausgewirkt hatte.

Abends liessen wir die Woche spontan in einer kleinen Taverne in Manikia ausklingen, wo ein älteres Ehepaar uns mit hausgemachten Spezialitäten verwöhnte. Unsere Bestellung war eine kleine Teamleistung: Wir auf Englisch, die Wirtin auf Griechisch, dazwischen ihre Enkelin am Handy als sprachliche Vermittlerin. Als das Essen schliesslich kam, war klar – Verständigung hin oder her, gutes Essen spricht seine eigene Sprache. Das «ΑΛΦΑ», das an diesem Abend besonders gut schmeckte, der selbstgemachte Honig sowie das Gruppenfoto mit der Wirtin (weiterhin unbeherzt griechisch auf uns einredend) rundeten das Erlebnis in Manikia ab.

Nach einer Woche frühlingshafter Sonne, griffigem Fels, kameradschaftlichen Momenten und griechischer Gastfreundschaft bleibt nur ein Fazit: Danke YOYO für diese fantastische Zeit! Und ja, der Ouzo schmeckt besonders gut nach einem langen und erfolgreichen Klettertag.

Benjamin Clément, im Februar 2025